Die Börsen haben die von der US-Notenbank angekündigte geldpolitische Wende verdaut. Nach der ersten Schreckreaktion und dem leichten Abverkauf Ende voriger Wochen haben sich die Kurse schon wieder stabilisiert. Der Rutsch unter den kurzfristigen Aufwärtstrend wurde damit sofort wieder abgefangen. Ein neues Hoch haben die Börsen aber dennoch bisher nicht erreicht.
Die Bandbreite der Top-Bildung ist nun auf wenige Punkte zusammengeschnurrt. Am sichtbarsten wird das im marktbreiten S&P 500. Der Deckel liegt noch immer bei 4.270 Punkten. Diese Hürde steht seit Ende März unverrückt im Raum. Das jüngste Tief des Index lag bei etwa 4.100 Punkten. Das sind inzwischen sehr enge Leitplanken - und ein größerer Ausbruch in eine neue Richtung steht aus unserer Sicht unmittelbar bevor.
Es wäre äußerst ungewöhnlich, wenn die Börse nun über Wochen fast reglos durch den Sommer dümpelt. Die Frage ist nur, woher der Auslöser für einen Ausbruch in die eine oder andere Richtung kommt. Auf Seiten der US-Zinsen sehen wir eine leichte Gegenbewegung. Die Renditen sind wieder leicht auf 1,50% gesunken - trotz der gestiegenen Inflationserwartungen. Damit haben sie sich erneut von der kritischen Marke von 2% entfernt.
Dass die Erwartung schnell steigender Zinsen am Markt nicht mehr so hoch gehandelt wird, zeigt auch der Goldpreis. Der hat sich nach seinem Rutsch bei 1.780 US-Dollar je Feinunze stabilisiert. Das ist aus unserer Sicht auch schon wieder ein aussichtsreiches strategisches Einstiegsniveau. Denn auf Jahressicht dürfte die Inflation weiter anziehen. Geht das mit Nullzinsen einher, vergrößert sich der reale Wertverlust - und das spricht für Gold als Anlagealternative. Nur wenn die Börsen schnell einen Ausbruch nach oben auf neue Allzeithochs schaffen und dann die nächste Rally-Stufe zünden, dürfte Gold erneut unter Druck kommen.
Auffällig ist der Rücklauf der meisten Rohstoffpreise. Abgesehen vom Ölpreis stehen viele Rohstoffpreise momantan unter Druck. Insbesondere die sinkenden Notierungen bei den Industriemetallen sind überraschend. Das mag mit eine leichte Abkühlung der globalen Konjunktur signalisieren. Eventuell steckt hinter den fallenden Notierungen aber auch nur die Spekulation, dass China seine strategische Metallreserve freigaben will. Solche Informationen hören wir von unserem Korrespondenten von der London Metal Exchange (LME). Macht China ernst, um die heimische Nachfrage zu berfriedigen, dürften dei Preise noch weiter fallen. Das würde auch den Inflationsdruck reduzieren.
Fazit: Die Börsen haben ihre Richtungsentscheidung noch nicht getroffen und verarbeiten nahe der Allzeithochs die neue geldpolitische Perspektive. Strategisch dürften die Märkte noch ein paar gute Monate vor sich haben. Taktisch sind die Märkte vor der Sommerpause jedoch nicht für einen neuen Einstieg geeignet. Anleger sollten abwarten und die Sonne am Wasser genießen. Quelle Stefan Ziermann.
